Landwege

Römische Straßen werden seit jeher mit der Ausbreitung des römischen Imperiums in Verbindung gebracht. Sie verbanden die Provinzen des Reiches untereinander und dienten dem Militär, Reisenden und nicht zuletzt Kaufleuten und Händlern. Während in der älteren Forschung mit Blick auf die Straßen häufig militärische Gesichtspunkte untersucht wurden, verschob sich der Schwerpunkt im 20. Jh. zunehmend auf wirtschaftliche Fragen.

Die allgemeine Nutzung von Landverkehrswegen durch Händler ist gut belegt und auch archäologisch, zum Beispiel durch zahlreiche Reliefdarstellungen von mit Waren beladenen Wägen, überliefert. Allerdings gibt es noch eine Reihe von Fragen, die weiterhin offen sind. Historisch wäre beispielsweise zu analysieren, welche Personengruppen die Transporte übernahmen, welchen Umfang die Strecken hatten, die sie bereisten und welche Rolle die Straße im Gegensatz zu den Flüssen spielten. Ein weitaus größeres Desiderat, dem sich der ERC STRADA widmet, stellt jedoch die Frage da, inwiefern Verkehrszeiten berechenbar waren. Die Untersuchung von Verkehrszeiten setzt wiederum die möglichst präzise Rekonstruktion der römischen Straßen voraus, die im Rahmen des Projekts für den Bereich von Aquileia nach Lauriacum erfolgt und auf drei Säulen beruht.

Relief mit der Darstellung eines Wagens beim Fasstransport (Römisches Museum Augsburg, Foto: Max Fiederling)

Die erste Säule ist die Analyse und Auswertung der archäologischen Befunde. Im Gegensatz zu den großen Fernstraßen Italiens, wie der berühmten Via Appia, sind die römischen Verkehrswege in der Regio X und in der römischen Provinz Noricum aber nur noch fragmentarisch erhalten, sodass der Streckenverlauf heute nicht mehr klar ersichtlich ist. Die Rekonstruktion des Streckenverlaufs erfordert somit nicht nur die Beschäftigung mit bekannten römischen Straßenkörpern, sondern mit allen archäologischen Funden und Befunden, die mit Verkehrswegen in Verbindung stehen. Dazu gehören neben Gräbern, die häufig auf Straßen orientiert sind, auch Herbergen und Mansiones, die Reisenden, Beamten und Händlern zur Verfügung standen, Meilensteine, die der Orientierung dienten oder Siedlungen und Produktionsstätten, die eine Anbindung an das Straßennetz besaßen. Die Zusammenschau aller zur Verfügung stehenden archäologischen Informationen, die dem Projekt durch die zahlreichen Archive vor Ort und die Daten des Bundesdenkmalamts Österreichs zur Verfügung gestellt werden, ermöglicht eine möglichst präzise Annäherung an die Situation im 1-2. Jh. n. Chr. Hinzu kommt die Auswertung von Luftbildern und Geländemodellen, die in den GIS Systemen der österreichischen Bundesländer frei zur Verfügung stehen und in denen noch unerkannten Strukturen und Straßenzüge sichtbar werden.

Die zweite Säule stellt die Analyse von Altkarten aus dem 18. Und 19. Jh. dar, die häufig Straßen zeigen, die heute verloren sind und die archäologischen Befunde ergänzen. Zwar kann eine Kontinuität von der Antike bis in die Neuzeit nicht vorausgesetzt werden, doch die Karten bieten Anhaltspunkte denen weiter nachgegangen werden kann, wenn archäologische Spuren fehlen. So können neben Altwegen auch Katastergrenzen Hinweise auf lange verlorene Straßenzüge geben.

Die dritte Säule bildet die Feldforschung. Im Rahmen des Projekts werden mehrere Kampagnen vorgenommen, bei denen beispielhaft neuralgische Punkte vor Ort untersucht werden. Für die Identifizierung von Landwegen spielt hier der Einsatz von Drohnen eine wichtige Rolle (BILD DROHNE), durch die neue Luftbilder und Orthomosaike von archäologischen Fundplätzen erstellt werden können, um naheliegende Straßenzüge zu identifizieren. In Zukunft sollen zu diesem Zweck auch Thermal- und Multispektraldrohnen genutzt werden.

DJI Phantom 4 im Einsatzgebiet, Foto: Max Fiederling)

Die Zusammenführung aller gesammelten Daten macht eine möglichst genaue Annäherung an den antiken Straßenverlauf möglich, die für die Simulation und somit auch so auch Aussagen zu den Verkehrszeiten unerlässlich ist.