Wasserwege

Wasserwege stellen das wahrscheinlich wichtigste Bindeglied des römischen Reiches und seiner Provinzen dar, denn es reiste und handelte sich auf diesen weitaus schneller und günstiger als über den Landweg. Nicht nur die großen Handelsschiffe, welche zur Versorgung der Hauptstadt weite Strecken über die Ozeane zurücklegten, stellten das Rückgrat dieser weit verzweigten Netzwerke dar. Flachbodenschiffe, sogenannte Prähme, ebenso wie Einbäume und Flöße sowie eine Vielzahl weiterer Wasserfahrzeuge operierten auf Seen, in Flüssen und vermutlich sogar in Bächen von den Niederungen bis in das Gebirge für den regionalen sowie überregionalen Handel und brachten elementare wie auch exotische Waren auch bis an die entlegensten Orte des Reiches.

Im Gegensatz zu den römischen Landstraßen, die z.T. erhalten sind und sich archäologisch in Form von Überresten ausgebauter Pflasterstraßen über Knüppelwege bis hin zu Bodenverfärbungen in Feldern wieder finden lassen, sieht sich die Suche nach Spuren römischer Wasserwege gleich mit mehreren Problemen konfroniert. Welchen Verlauf nahmen die einzelnen Gewässer in römischer Zeit? Wie haben sie sich seitdem verändert und welche Fahrzeuge waren auf welchen Gewässern unterwegs? Welche Infrastruktur zum Be- und Entladen war an welcher Stelle möglich, gegeben und/oder notwendig? Mit welchen Gefahren und Herausforderungen mussten die Händler der Flüsse und Seen umgehen?

Eine Sammlung erster Hinweise im Vorfeld zeigt, dass sich Aktivität von Kaufleuten und Reisenden auf Gewässern gut belegen lässt. Reliefs auf Grabmälern mit Darstellungen von Schiffen und Booten mit unterschiedlicher Ladung, welche gesegelt, gestakt oder getreidelt wurden sind uns ebenso gut überliefert wie die Berufsbezeichnungen der Händler, welche auf den Gewässern unterwegs waren. Wir kennen sie aus Inschriften, Weihungen oder von Graffiti.

Treidelszene auf einem Grabrelief aus Cabrières-d’Aigues, zu sehen ist ein offener Kahn mit Steuermann und zwei Fässern sowie zwei ziehenden Männern (Foto: Max Fiederling)

Wrackfunde sowie Teile verlorener Ladung oder aber zugestellte Güter, die aufgrund ihrer Größe oder ihres Gewichts nur über den Wasserweg gekommen sein können, geben weitere indirekte Anhaltspunkte für die Reichweite von Binnentransporten auf Seen und Flüssen. Auch Befunde von Hafenanlagen, Brücken und Furten sowie weitere Infrastruktur können helfen, den Verlauf römischer Wasserwege nachzuvollziehen.

Um jedoch eine möglichst präzise Rekonstruktionsgrundlage zu liefern, mit der die digitale Simulation des ERC STRADA am Ende neue Erkenntnisse zu Verkehrszeiten und zu deren Vorhersehbarkeit in der Antike erzielen möchte, ist ein weiterer methodischer Schritt von Nöten. Uwe Arauner, lange für die Wasserwirtschaft und für den Gewässerschutz als Projektleiter der Ingolstädter Kommunalbetriebe zuständig, hat hierzu Grundlagenarbeit geleistet, in dem er u.a. eine Rekonstruktion des Donauverlaufes im Ingolstädter Becken zur römischen Kaiserzeit erarbeitet hat. Seine Auswertung kann als methodologische Grundlage für die im Projekt zu leistende Rekonstruktion dienen. Arauner näherte sich anhand GIS gestützter Auswertung der Geographie, Topographie und Geologie einer Region im Abgleich mit archäologischen Funden und Befunden sowie Altkarten, ergänzt durch die Auswertung von Bohrkernen einer Rekonstruktion eines Gewässerverlaufes an.

Neben der Arbeit mit digitalisierten Altkarten, archäologischen Publikationen und Archivalien setzt das Forschungsprojekt ebenso auf einen weiteren Aspekt, die Feldforschung. In Hinblick auf die Wasserwege werden hierbei nicht nur Museen und Sammlungen gesichtet, sondern Wasserkörper mittels Sonartechnologie untersucht und Anomalien von ehemaligen Flussübergangen, Wracks oder Reste von Anlegern in einer Auswahl betaucht und weiter untersucht.

ESD Forschungstaucher bei einem Checktauchgang sowie Garmin GPSMAP 8400/8600 Side Scan Sonar des TRANSMARE Instituts (Foto: Links, Robert Angermayr; Rechts: Max Fiederling)

Diese additiven Daten sollen helfen weitere Wissenslücken zu schließen und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Nur durch diesen kombinatorischen Ansatz kann es gelingen eine möglichst präzise Annäherung zur Rekonstruktion der Gewässer des 1-2 Jh. n. Chr. im Untersuchungsgebiet zu erreichen.